Selling Modernity: Advertising and Public Relations in Modern German History

Selling Modernity: Advertising and Public Relations in Modern German History

Organisatoren
Pamela Swett, Jonathan Wiesen, Jonathan Zatlin, Hamilton, Kanada
Ort
Hamilton, Kanada
Land
Canada
Vom - Bis
06.11.2003 - 08.11.2003
Von
Rainer Pöppinghege, Fakultät für Kulturwissenschaften - Neueste Geschichte, Universität Paderborn

Die kulturhistorische Forschung über Werbung und Public Relations in Deutschland steht trotz einiger umfassender Untersuchungen und Darstellungen erst am Anfang. Um sich über Forschungsergebnisse auszutauschen und künftige Perspektiven zu diskutieren waren rd. 25 Historiker und Kulturwissenschaftler aus Kanada, den USA, Großbritannien und Deutschland der Einladung der drei Organisatoren Pamela E. Swett (McMaster University, Hamilton/Canada), S. Jonathan Wiesen (Southern Illinois University, Carbondale/USA) und Jonathan R. Zatlin (Boston University, Boston/USA) gefolgt und im kanadischen Hamilton zusammen gekommen. Die Tagung, die in weiten Teilen den Charakter eines Workshops trug, erlaubte den intensiven Austausch über neueste Forschungsergebnisse. Im Zentrum der verschiedenen Panels stand das Vordringen moderner Werbe- und Kommunikationsformen sowie die Entwicklung der Public Relations und deren Rezeption in Deutschland im 20. Jahrhundert.

Während in der deutschen Werbung zunächst die Ästhetik der Ware und mit ihr die Perspektive des anbietenden Unternehmens dominierte, erfolgte seit Mitte der zwanziger Jahre ein Paradigmenwechsel, als „amerikanisierte“ Werbung die Bedürfnisse der Konsumenten stärker berücksichtigte, wie Victoria de Grazia (New York) in ihrem Einführungsvortrag verdeutlichte. Amerikanische Werber verwendeten ein System von Bild- und Textelementen sowie professionelle Marktforschungsmethoden und setzten damit kommunikative Standards, die fortan die Entwicklung der Werbung in Deutschland bestimmen sollten. Als dynamischer europäischer Massenmarkt mit seinen zahlreichen politischen bzw. gesellschaftlichen Brüchen stellte Deutschland im 20. Jahrhundert quasi ein Laboratorium der Moderne dar, wenngleich zweifellos zu fragen ist, wann in kommunikationsgeschichtlicher Hinsicht dieser Modernisierungsprozess begann, bzw. ob möglicherweise nicht von mehreren parallelen Strängen der Modernisierung seit dem 19. Jahrhundert zu sprechen ist. Mit den Professionalisierungstendenzen auf dem Gebiet von Werbung und PR in den zwanziger Jahren befassten sich u.a. die Vorträge von Corey Ross (Birmingham) und Holm Friebe (Berlin). Ross knüpfte an de Grazias Ausführungen an, indem er die Bereitschaft deutscher Werber hervor hob, sich amerikanischen Werbeeinflüssen zu öffnen. Der Durchbruch systematischer professionalisierter Werbung für ein Massenpublikum lässt sich um die Mitte der zwanziger Jahre datieren – also mit Einsetzen der einstweiligen wirtschaftlichen Stabilisierung. Einer der profiliertesten Vertreter seiner Branche war Hans Domizlaff, der zunächst in der Zigarettenbranche für Reemtsma und später für die Firma Siemens tätig war. Wie Friebe zeigte, war Domizlaff mit seinen auch publizistisch verbreiteten Überlegungen zur Markentechnik jedoch keineswegs ein typischer Branchenvertreter. Er ließ die Aufgeschlossenheit gegenüber der modernen Massenkultur vermissen und hegte politisch-psychologische Vorbehalte gegenüber der Verführbarkeit der Massen, wie sie auch Kreise der Konservativen Revolution vertraten.

Dass mit der Werbung nicht nur Produkteigenschaften, sondern auch Ideologie transportiert werden kann, verdeutlichte Michael Imort (Waterloo/Canada) anhand forstwirtschaftlicher Zeitschriften aus den Jahren 1933 bis 1945. Mit seiner Analyse der darin abgedruckten Werbeanzeigen belegte er, wie sich wirtschaftliche und politische Interessen vermischten: Bilder rassereiner Bäume und die Darstellung des Waldes als organische Gemeinschaft legten für zeitgenössische Leser Analogien zur Rassenlehre der Nationalsozialisten nahe. Die werbenden Unternehmen verwendeten dabei romantisierende Darstellungen der naturnahen Forstarbeit, ohne auf moderne Aspekte – z.B. der Einzug der Motorsäge – zu verzichten. Ein Werbekonzept der besonderen Art entwickelte der Coca-Cola-Konzern während der NS-Herrschaft. Jeff Schutts (Vancouver) erläuterte, wie es dem Unternehmen gelang, sich mit seinem Produkt Dank zahlloser Werbeaktivitäten als deutsche Marke zu profilieren. Hierzu trug zweifellos das dezentralisierte Vertriebssystem bei. Auf der anderen Seite vermochte es Coca-Cola, sich als Bestandteil der deutschen Konsumentenkultur innerhalb der Volksgemeinschaft zu definieren. Diese Volksgemeinschaft gefiel sich nicht nur im Genuss von Erfrischungsgetränken, sondern ging auch auf Reisen – eine besondere Herausforderung für die Werbung in der Tourismusbranche. Hier setzte die Gleichschaltung zu einem frühen Zeitpunkt ein, wobei bewährte Werbeinstrumente im Sinne einer spezifisch „deutschen“ Werbung weiterentwickelt wurden, wie Kristin Semmens (Vancouver) zeigte. Zu den klassischen Touristenattraktionen gesellten sich – in regional unterschiedlicher Ausprägung – neue Wallfahrtsorte der nationalsozialistischen Bewegung, die von den Tourismusmanagern aber nur dann beworben wurden, wenn sie sich davon eine Steigerung der Besucherzahlen versprachen. Die Konventionen und Praktiken des modernen Tourismus behielten die Nationalsozialisten jedoch bei, selbst wenn sie mit der Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) dem Tourismus eine neue Massenbasis schufen. Die organisierten KdF-Reisen, so Shelley Baranowski (Akron/USA), richteten sich hauptsächlich an bürgerliche Kreise, auch wenn eine große Zahl von Arbeitern daran teilnahm. Die Fahrt ins Ausland ermöglichte den scheinbar objektiven Vergleich mit dem Dritten Reich, das angesichts ungewohnter Sanitär- und Ernährungsstandards dabei vorzüglich abschnitt. Die Werbung zeichnete ein Idealbild der KdF-Reisen, bei denen sich die Volksgemeinschaft diszipliniert auf Reisen begab und das Regime sich weltoffen präsentieren konnte.

Die zahlreichen Untersuchungen zu Geschlechterstereotypen in der Werbung ergänzte Kraig Larkin (New York) durch seine Analyse der westdeutschen Zigarettenwerbung der fünfziger Jahre. Auf die Krise der Maskulinisierung der unmittelbaren Nachkriegsjahre folgte eine Phase der Remaskulinisierung, die sich auch in der Anzeigenwerbung nieder schlug. Zugleich wurde das Rauchen als eine bewusste Abgrenzung zu den puristischen Anti-Raucher-Kampagnen der Nationalsozialisten und somit als Inanspruchnahme neu gewonnener Freiheiten der Konsumentenkultur aufgefasst. An die Stelle des soldatischen Heldenideals trat der rauchende domestizierte Mann, der sich im eigenen Wohnzimmer von seiner Ehefrau Feuer reichen ließ. Mit einer frühen Phase der Werbe- und Kommunikationsgeschichte befasste sich Rainer Pöppinghege (Paderborn), indem er seine Analyse von deutschen Mitarbeiterzeitungen des Ersten Weltkriegs präsentierte und versuchte, die Multifunktionalität dieser Medien aufzuzeigen. So dienten sie nicht nur der Verbindung zwischen Front und Heimatfront, sondern auch der Produkt-PR. Mindestens ebenso bedeutsam erscheint das Rechtfertigungsbedürfnis der im Werk verbliebenen Mitarbeiter gegenüber den Frontsoldaten. Zwar war man an der heimischen Werkbank weit vom männlich-heroischen Soldatenideal entfernt, doch wollte man den Nutzen der eigenen Tätigkeit mit Hilfe der „Eigen-PR“ in den Mitarbeiterzeitungen heraus stellen. Dem schwierigen Verhältnis von Konsum, Verkaufsförderung und Staatsführung in der DDR der fünfziger und sechziger Jahre widmete sich Katherine Pence (New York). So lassen sich deutliche Einflüsse westlicher Werbestrategien und –methoden bei den DDR-Werbern nachweisen, wobei sich die Werbung im Ostteil Deutschlands vor dem Hintergrund kontinuierlicher Versorgungsengpässe bei Luxusgütern abspielte. Angesichts der schwierigen Versorgungslage wurde oftmals nur der Mangel beworben – mit teilweise skurrilen Ergebnissen und allzu plumpen Versuchen, die Werbung dem sozialistischen Gesellschaftsideal anzupassen.

Neben dem auf dem Feld von Werbung und PR konstatierten Modernisierungspotenzial des Nationalsozialismus im Gefolge des Professionalisierungsschubs der zwanziger Jahre waren es vor allem Fragen nach den Brüchen, die häufig, jedoch nicht immer auf den Machtwechsel des Jahres 1933 zurückzuführen sind. An verschiedenen Stellen der Diskussion wurde darüber hinaus wiederholt betont, wie intensiv die wechselseitigen Beziehungen und Einflüsse zwischen Produzenten, Werbefachleuten und Konsumenten gewesen seien. Statt der Vorstellung eines manipulativ-asymmetrischen Verhältnisses zwischen Werbung und Konsument ist vielmehr von einem komplizierten kommunikativen Netz auszugehen, dem sich keiner der Beteiligten entziehen konnte. Was bereits in der Medienwirkungsforschung Konsens ist, scheint sich auch für die Werbung zu bestätigen: Die vermeintlichen Erwartungen der Konsumenten spielten auf Seiten der Werbung eine weit größere Rolle als bisher angenommen – und hierin liegt das eigentliche Modernisierungspotenzial, das sich in den vergangenen Jahrzehnten auch in Europa entfaltet hat. Dabei wurden Werbung und PR nicht nur dazu verwendet, um unternehmerische Interessen wie den Verkauf eines Produkts zu unterstützen. Werbebotschaften eigneten sich – wie die zahlreichen Beispiele aus der deutschen Geschichte belegen – dazu, Lebensstile, Identität und vor allem ideologische Topoi zu kommunizieren. Problematisch bleibt nach Ansicht des Berichterstatters die mitunter mangelnde Verknüpfung von kulturgeschichtlichen mit sozialhistorischen und politikwissenschaftlichen Ansätzen in diesem relativ jungen Forschungsbereich. Wenn Modernisierungseinflüsse auf dem Feld der Werbung und PR stärker vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen betrachtet würden, gewännen die vorgestellten (vorläufigen) Ergebnisse noch an Wert. Ob die Beseitigung eines im Verlauf der Tagung konstatierten Defizits an rezeptionsgeschichtlichen Ansätzen tatsächlich zur empirischen Fundierung beitragen kann, wurde von vielen Teilnehmern bezweifelt. Denn weder lässt sich der Einfluss einer Werbemaßnahme in jedem Fall messen, noch erscheint die Wirkungsgeschichte immer gleich relevant. Notwendiger denn je dürfte aber die Vernetzung der verschiedenen Forschungsansätze auf internationaler Ebene sein. Besonders für die deutsche Geschichtswissenschaft ist es an der Zeit, die Arbeiten aus dem anglo-amerikanischen Raum stärker zur Kenntnis zu nehmen. Die Tagung „Selling Modernity“ hat einen ersten viel versprechenden Versuch unternommen, die gegenseitige Wahrnehmung zu erweitern. Diesem Ziel soll demnächst auch die Publikation eines Tagungsbandes dienen.

http://faculty.quinnipiac.edu/charm/selling_modernity.htm